Der Lechweg: 8 Tage Weitwandern in Österreich von der Quelle zum Fall

Anika am Formarinsee

Der Lechweg führt auf 125 Kilometern vom Formarinsee im österreichischen Vorarlberg bis nach Füssen im Allgäu. Von der Quelle bis zum berühmten Lechfall geht es durch eine der letzten Wildflusslandschaften Europas. Wie ich den Weg in acht Etappen aufgeteilt habe und warum sich eine Wanderung unbedingt lohnt, erfährst du hier.

Ende Juli 2022 machte ich mich gemeinsam mit meiner Schwester auf den Weg nach Österreich. Unsere einwöchige Wanderung auf dem Lechweg war eine großartige Erfahrung. Ich war noch nicht oft in den Alpen unterwegs und habe bisher keine alpine Erfahrung sammeln können. Trotzdem träumte ich schon länger von einer mehrtägigen Wanderung durch die Berge, bei der man nicht nur die Täler quert, sondern auch ein paar tolle Aussichten von “weiter oben” genießen kann. Diese Erfahrung bleibt ja häufig den Gipfelstürmer:innen vorbehalten.

Nachmittagssonne im Lechquellengebirge
Im Lechquellengebirge
Auf dem Weg nach Lech - entlang des Lechs

Aber genau dafür ist der Lechweg wie gemacht: Es handelt sich um einen moderaten und sehr abwechslungsreichen Weitwanderweg durch alpine Landschaften, die sowohl atemberaubende Aussichten und imposante Bergpanoramen als auch eine beeindruckende Flora und Fauna und verschlafene kleine Bergdörfer zu bieten haben. Für all das braucht man keinerlei Erfahrung im Klettern, Queren von Gipfeln oder Pässen. Nicht einmal ausgesetzte Passagen gibt es, sodass der Weg auch für mich mit leichter Höhenangst problemlos wanderbar war. Der Großteil des Lechwegs führt durch Österreich und die letzten etwa zehn Kilometer auf der deutschen Seite durch Bayern.

Uns erwarteten unterwegs tierische Begegnungen mit Murmeltieren, Alpensalamandern und Schmetterlingsschwärmen und Highlights wie Wasserfälle, eine Hängeseilbrücke und wunderschöne Bergseen. Gekrönt wird der Lechweg fast durchgehend mit dem Anblick des Lechs, der je nach Witterung täglich seine Farben wechselt und, wenn nicht gerade Schlammbraun, typischerweise durch schillerndes Türkisblaugrün beeindruckt. Die Flusslandschaft entlang des Ufers versetzte uns teilweise gefühlt ins wilde Kanada. Mehr dazu liest du in den einzelnen Etappen-Berichten weiter unten.

FAQ: Fragen und Antworten zum Lechweg

  • Wie lang ist der Lechweg und wie viele Etappen gibt es?
    Du solltest eine gute Woche Zeit haben. Offiziell zählt der Weg 125 Kilometer. Für geübte Wander:innen gibt es auf der Website einen Vorschlag für die Etappenverteilung auf sieben Tage, eine gemütliche Variante mit acht Tagen und eine entschleunigte mit zehn Tagen. Meine Einteilung in acht Etappen weicht etwas davon ab, hing aber vor allem mit den Unterkünften zusammen, die noch verfügbar waren. Hier findest du meine komplette Route auf Komoot.
  • Für wen ist der Weg geeignet? Muss ich Weitwander- und alpine Erfahrung haben?
    Klares Nein! Du benötigst keinerlei alpine Erfahrung, der Weg wird als moderat eingestuft. Aus meiner Sicht eignet er sich außerdem gut für die erste mehrtägige Wanderung. Du solltest aber definitiv eine Grundfitness mitbringen, um mehrere Stunden am Tag wandern zu können, und keine Probleme mit dem Tragen eines größeren Rucksacks haben (im Notfall gibt es allerdings auch Anbieter für Gepäcktransport). Wenn du noch keine Weitwandererfahrung hast, wähle einfach eine entspanntere Etappeneinteilung oder plane zwischendurch Ruhetage ein. Entlang des Weges gibt es definitiv einiges zu entdecken.
  • Wo kann ich übernachten? Kann ich den Weg mit dem Zelt wandern?
    Wir haben in Berghütten, Hostels und Privatzimmern übernachtet. Die Orte entlang des Weges bieten eine ganz gute Auswahl an Unterkünften, wenn man rechtzeitig (am besten mindestens sechs Monate vorher) bucht. Ansonsten wird es begrenzter und teurer. Die Infrastruktur ist sehr gut und die einzelnen Orte sind mit (Wander-)Bussen verbunden, sodass du nicht unbedingt täglich eine neue Unterkunft brauchst und im Notfall auch Etappen abkürzen oder Teile überspringen kannst. Da es kaum Campingplätze am Weg gibt, ist der Lechweg meiner Ansicht nach eher nicht zum Wandern mit Zelt geeignet.
  • Wann ist die beste Wanderzeit?
    Den gesamten Lechweg kannst du zwischen Mitte bis Ende Juni und Anfang Oktober begehen. Der Startpunkt am Formarinsee liegt auf 1.793 Höhenmetern im Hochgebirge, wo bis Juni noch Schnee liegt. Für alle, die früher dran sind, gibt es eine verkürzte Frühjahrsvariante, die ab Mitte Mai wanderbar ist: von Steeg bis nach Füssen (etwa 80 Kilometer). Ich war Ende Juli unterwegs, wo Schnee kein Problem mehr war, dafür Gewitter und Bremsen. Im Herbst ist es bestimmt auch sehr schön.
  • In welche Richtung sollte ich den Lechweg wandern?
    Du kannst den Weg von der Lechquelle am Formarinsee bis zum Lechfall in Füssen wandern, die Richtung hat mir sehr gut gefallen. Er ist aber auch in die andere Richtung wanderbar, dann hast du deutlich mehr Anstiege, dafür wird die Landschaft in die Alpen hinein immer einsamer und schöner.
  • Welche Ausrüstung brauche ich?
    Aus meiner Sicht ist eine normale Wanderausstattung ausreichend: gute, eingelaufene Wanderschuhe und Funktionskleidung, die du auch sonst zum Wandern trägst. Bei den Schuhen empfehle ich persönlich solche, die über den Knöchel reichen – für besseren Halt. Auch ein gutes Profil ist wichtig, besonders wenn die Felsen und Wurzeln nach Regenfällen rutschig sind. Bergwanderstiefel geben noch mehr Halt, sind aber auch schwerer und nicht jedermanns (oder -fraus) Sache. Tipp: Wanderstöcke mitnehmen!
  • Worauf ist bei der Anreise zu achten?
    Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist zu empfehlen, kann aber dauern. Natürlich hängt es von deinem Ausgangs- und Startpunkt ab. Wenn du am Formarinsee loswandern möchtest, kannst du mit der Bahn bis St. Anton oder Langen am Arlberg reisen (von Innsbruck beispielsweise etwa 1:15 Stunden) und von dort weiter mit dem Bus nach Lech (25-40 Minuten). Von Lech fährt in der Saison etwa stündlich ein Wanderbus hoch zum Formarinsee, dafür musst du weitere ca. 40 Minuten Fahrt einplanen.

Anreise - in der Stille der Berge: eine Nacht auf der Freiburger Hütte am Formarinsee

An einem Donnerstagabend geht es für uns mit dem Nachtzug von Hamburg nach Innsbruck (immer wieder große Empfehlung für diese Art des Reisens!) und von dort aus am Freitag weiter. Die Anfahrt ist lang: Von Innsbruck nehmen wir am Freitagmorgen die Regionalbahn weiter nach St. Anton, von dort einen Bus nach Lech am Arlberg und dann noch den Wanderbus vom Ort hinauf zum Formarinsee. Am Nachmittag kommen wir schließlich im Lechquellgebiet an. Trotz der langen Fahrt würde ich die Wegrichtung wieder so wählen und an der Lechquelle starten (andernfalls hätten wir von hier aus zurückreisen müssen). Du kannst auch in Füssen starten, wie weiter oben ausgeführt. Für uns hat sich diese Richtung aber genau richtig angefühlt und die Rückfahrt aus dem Allgäu ist dann auch deutlich kürzer.

Der Formarinsee wurde 2015 zum schönsten Platz Österreichs gewählt – und ich kann verstehen, warum. Zwar wirkt er kleiner als erwartet, doch allein diese Farbe: Tiefblau, mit grünen Schattierungen. Eingerahmt von den Berggipfeln empfängt uns eine absolute Postkartenidylle. Vom Busparkplatz sind es nur ein paar Hundert Meter bis zum See. Auf einem Rundweg, der im letzten Stück zum anspruchsvollen Felsensteig wird, kann man den See umrunden. Wildblumenwiesen, Berge, strahlender Sonnenschein. Und: Stille. Es ist einfach immer wieder fantastisch, wie still es an solchen Orten ist, wenn Menschen fehlen.

Da es bereits später Nachmittag ist, geht es für uns zunächst zur Freiburger Hütte, die man auf dem einfach begehbaren Schotterweg nach 30-40 Minuten erreicht. Und was für ein Glück wir haben: Wir werden nach einigen Metern am See entlang direkt von einem Murmeltier begrüßt. Laut pfeifend macht es ganz in der Nähe auf sich aufmerksam, thront wie ein König auf einem Felsen und beobachtet uns mehrere Minuten lang. Eine unglaubliche Begegnung, nachdem ich gelesen hatte, dass man diese Tiere hier gar nicht so oft sieht. Zu hören bekommt man sie dafür ständig.

Murmeltier am Formarinsee
Ist es nicht niedlich?
Essen mit Ausblick
Kaspressknödel mit Aussicht
Wildblumen und Sonnenuntergang
Wildblumen im Sonnenuntergang

Tag 1 - Murmeltiere, Alpensalamander und ein felsiger Abstieg: vom Formarinsee nach Lech am Arlberg

Nach einem wundervoll sonnigen Abend mit zünftigem 3-Gang-Menü auf der Hütte und einer Nacht mit heftigem Regen und Gewittern geht es am Samstagmorgen grau bewölkt, aber trocken zurück in Richtung Wanderparkplatz, wo der Lechweg offiziell startet. Dringende Empfehlung: Wenn du den Lechweg wanderst, mach unbedingt auch den Abstecher zum See, wenn du schon hier bist. Den solltest du wirklich nicht verpassen. Und auch die Nacht auf der Hütte kann ich wärmstens empfehlen, denn die Lage ist einfach einzigartig, eingerahmt von den Bergen und mit Blick auf die Rote Wand gegenüber. Zudem brauchst du dann nicht morgens hoch zum Startpunkt fahren, sondern kannst einfach loswandern. Wenn du hier wiederum am Ziel ankommst, bietet die Hütte einen krönenden Abschluss deiner Wanderung.

Als wir aufbrechen, ist der Weg am See zurück gepflastert von kleinen schwarzen Alpensalamandern, die sich noch ziemlich träge über die Steinchen schlängeln. Und dann kommt tatsächlich noch ein Murmeltier hinter einem Fels hervor und hält Ausschau in unsere Richtung. Ob wir einfach viel Glück haben oder diese Tierchen hier doch öfter zu sehen sind? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ein wirklich schöner Start in den Wandertag und auch der See wirkt noch einmal ganz anders als am Tag zuvor, überschattet von dramatisch grauen Wolkentürmen.

Ab dem eigentlichen Startpunkt des Lechwegs, wo sich früher die mittlerweile versiegte Quelle des Lechs befand, geht es für mehrere Stunden durch eine faszinierende Felslandschaft und recht anspruchsvolles Gelände. Nicht schwierig, aber die vielen Felsen und Steine sind nach dem Regen in der Nacht ziemlich rutschig. Der erste Tag zeigt schon einmal, was uns die nächsten Tage begleiten wird: zahlreiche kleine Brücken, Stege, Holzbalken und Baumstämme, die immer wieder über Bäche und natürlich über den Lech führen. Ein wundervoller Fluss, der schon durch sein Rauschen eine erfrischende Wirkung hat. An einigen Stellen ist er sehr schmal und führt kaum Wasser, an anderen dafür umso mehr. Und auch hier dieses schillernde Türkisgrün. Am Ufer erstrecken sich immer wieder Steinfelder und Waldstücke, die stellenweise plötzlich richtig wild wirken.

So wandern wir immer weiter hinab in Richtung Lech am Arlberg, dem ersten Etappenziel. Das einzige kleine Ärgernis ist die Umleitung des Wanderwegs kurz vor Lech – Grund dafür: ein (neuer?) Golfplatz. Immer wieder tauchen „Betreten verboten“-Schilder auf und bescheren uns mehrere steile Anstiege, statt weiter direkt am Fluss entlang wandern zu können. War es wirklich nötig, diesen riesigen Platz mitten über den Wanderweg auszuweiten? Da gibt es anderswo deutlich schönere Lösungen, bei denen bestehende Wanderwege integriert wurden. Trotzdem ist es ein grandioser Lechweg-Auftakt und auch das Wetter spielt mit, denn die angesagten Regenfälle und Gewitter erfolgen erst nach unserer Ankunft.

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Tag 2 - Auf und Ab, tolle Weitblicke und ein unerwartetes Ende: von Lech am Arlberg nach Lechleiten

Der Wetterbericht verspricht einen sonnigen zweiten Tag und er behält recht. Aus den angesagten 24 Grad werden über 30 in der Sonne. Eigentlich ist mir das viel zu heiß zum Wandern, doch der blaue Himmel bereitet uns wieder die schönste Postkartenkulisse. Nachdem der Wanderführer den ersten Teil der Etappe heute als deutlich weniger spektakulär im Vergleich zu gestern angekündigt hat, erwarte ich zunächst nicht viel von den vor uns liegenden Forstwegen. Doch auch wenn die Umgebung eine andere ist als gestern, ist sie dennoch imposant. Es bieten sich traumhafte Blicke über Lech und die vielen Berggipfel ringsum.

Zu meiner Freude geht es recht bald und ab dann immer mal wieder durch Waldstücke, die Schatten und angenehme Kühle in der Mittagshitze spenden. In der prallen Sonne steil bergauf zu wandern, fordert schon einiges. Doch die Weitblicke und die immer wieder wechselnden Landschaften sind jede Mühe absolut wert. Der Lech sorgte auch heute für angenehme Erfrischung zwischendurch, allein das permanente Rauschen des Flusses in Hörweite sorgt für etwas gefühlte Abkühlung.

Immer wieder geht es über Weideland, auf dem Mutterkühe in der Sonne liegen oder sich durch ihr persönliches Schlaraffenland futtern. So viel frisches Grün, Wahnsinn. Viel Auf und Ab ist heute angesagt. Und es gibt auch ein paar abenteuerliche Passagen: regennasse, steile Abstiege mit extrem rutschigen Stellen. Aber eben auch wieder eine atemberaubende Bergidylle vom Feinsten.

Lechleiten hatten wir als Etappenziel gewählt, da es von der Streckenaufteilung gut passte. Im Nachhinein würde ich das aber definitiv anders machen, denn wir müssen von dort zu unserer Unterkunft zurück nach Lech fahren. Die im Wanderführer erwähnte Bushaltestelle gibt es zwar, allerdings – wer hätte es ahnen können – befindet sie sich gute zwei Kilometer Abstieg unterhalb des Ortes und damit des Lechwegs. Wenn du also wie wir in einem anderen Ort übernachtest, musst du am nächsten Morgen erst einmal wieder steil die Straße hinauf. Entweder du übernachtest in Lechleiten im Holzgauer Haus (das befindet sich direkt oben am Weg), oder du wählst alternativ Warth als zweites Etappenziel.

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Tag 3 - Hitze, Vampire und eine “kuhle Tankstelle”: von Lechleiten nach Holzgau

Die größte Erkenntnis heute: Wenn der Wetterbericht hier 27 Grad ansagt, stell dich lieber auf 35 ein. Puh! Zum Glück gibt es einige Waldabschnitte und manchmal auch Schatten. Schon morgens um 8 Uhr brennt die Sonne erbarmungslos auf uns herab. Wie gut, dass wir uns den Luxus eines Taxis für den Weg von Lech zurück zum Wanderweg in Lechleiten gönnen, da wir für den ersten Bus überraschend viel zu früh dran sind – das Taxi fährt uns nämlich, anders als der Bus, auch die steile Straße wieder hinauf. So sparen wir uns zumindest den unplanmäßigen Aufstieg am Morgen.

Sobald wir wieder auf der Spur sind, zeigt sich erneut: Auf dem Lechweg versucht eine Etappe die andere zu übertrumpfen. Die Landschaft ist und bleibt spektakulär, die Ausblicke grandios, die Umgebung wunderschön. Wir begegnen wieder einmal unzähligen Kühen, denn wir queren immer wieder Weiden. Noch mehr begegnen uns allerdings heute Schmetterlinge, wir geraten in ganze Schwärme hinein. Bei den kurzen Pausen machen es sich gleich ein paar auf uns und unseren Rucksäcken gemütlich.

Doch leider gibt es auch ungebetene Gäste, und die sind zahlenmäßig deutlich überlegen: Diese Etappe ist absolutes Bremsenland. Schon vor dem Ort Steeg, durch den wir kommen, fängt die Zone der Killerinsekten an. Und sie soll gute zwei Stunden anhalten. Bei Hitze und der Kombination aus entsprechend leichter Bekleidung und Schwitzen mutieren die Bremsen zu regelrechten Vampiren. Und sie sind einfach überall. Das führt dazu, dass wir trotz der Wärme heute ein zügiges Tempo an den Tag legen. Ich will nicht sagen, dass wir bis nach Holzgau rennen… aber wir müssen einfach fliehen. Den beeindruckenden Hägerauer Wasserfall bestaunen wir so auch eher kurz.

Trotz allem bleibt noch Zeit für einen kurzen Stopp am Weg, denn bei dem Wetter geht einfach nichts über Eis und kühle Getränke. In Amerika nennt man sie Trail Angels, die Menschen, die so etwas für die Wandernden am Weg deponieren – hier sind es meist die Landwirt:innen aus der Umgebung, die mitten ins Nichts einen Kühlschrank zur Selbstbedienung stellen. Zwar ein etwas anderes Prinzip, aber sicher ein ähnlicher Effekt und äußerst willkommen an einem Tag wie heute.

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Tag 4 - Wasser überall, Motivationssuche und eine Hängebrücke: von Holzgau nach Elbigenalp

Etappe vier und Halbzeit auf dem Lechweg. Heute ist im wahrsten Sinne ein Auf und Ab. Vom Weg her genauso wie von der Stimmung. Nach dem Abstieg von unserer Hütte in den Ort am Morgen sind wir bereits durch, Luftfeuchtigkeit und Regenguss sei Dank. Und da hat die eigentliche Etappe noch nicht einmal begonnen. Auf der Suche nach der Motivation nehmen wir den Bus von Elbigenalp zum Ausgangspunkt nach Holzgau und wandern dann los, können sie jedoch recht schnell wiederfinden. Das ständige Jacke-an-aus und Bergauf-Bergab sorgt für einen steten Wechsel der Gefühle. Am Ende erinnern wir uns trotzdem ganz gut daran, warum zur Hölle wir unseren Urlaub eigentlich immer wieder SO verbringen.

Das Element des Tages ist heute eindeutig Wasser. Von oben, innen und außen: Es gibt mal mehr, mal weniger Regen und einhergehend mit dem Wetter einen Härtetest der “Atmungsaktivität” unserer Regenjacken. Obwohl es nach heftigen Gewittern gestern Abend und Nacht heute gut 15 Grad kühler ist als am Vortag, ist es vor allem morgens extrem schwül. Noch mehr Wasser gibt es in der Landschaft, das ist immerhin der schöne Teil: Neben dem Lech passieren wir kurz nach unserem Start in Holzgau den beeindruckenden Simmswasserfall, ein echtes Highlight.

Und auch der weitere Verlauf des Lechwegs bleibt ein Traum. Obwohl die Sicht heute stellenweise durchaus eingeschränkt ist, zeigen sich immer wieder schöne Ausblicke. Spätestens an der Holzgauer Hängebrücke, ein Abstecher dahin ist ein Muss. Eigentlich führt der Lechweg laut Beschilderung daran vorbei, aber der Umweg dauert nur zehn Minuten. Die Seilhängebrücke überspannt in 110 Metern Höhe die wildromantische Höhenbachtalschlucht und ist mit 200 Metern die längste Fußgängerhängebrücke Österreichs. Unbedingt überqueren, und zwar in beide Richtungen, denn man muss ja auch wieder zurück. Es ist zwar ein ganz schönes Geschaukel dort oben (habe ich mit Höhenangst für euch getestet und überlebt 🤪), aber die grandiosen Blicke auf Holzgau und die Berge machen alles wett.

Am Abend kommen wir schließlich in Elbigenalp an und für uns geht es wieder zur Kasermandl-Hütte hinauf. Da heute Ruhetag ist, gibt es keinen Shuttle, und so wandern wir auch das letzte Stück noch. Für mich persönlich wird das noch einmal eine richtige Herausforderung, denn der Weg durch den Wald ist unfassbar steil. Das war zu erwarten, schließlich müssen 300 Höhenmeter in rund 45 Minuten bewältigt werden, aber nach diesem Tag und über 20 Kilometern in den Beinen wird das letzte Stück zum Endgegner. Trotzdem eine Herzensempfehlung! Mehr dazu unten bei „Unterkunft“.

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Tag 5 - 100 Shades of Green, wilde Gefühle und Schaukeln mit Bergblick: von Elbigenalp nach Stanzach

Heute kommt die Sonne zurück! Nachdem zunächst ab mittags Regen angesagt ist, bleibt es den ganzen Tag trocken und überwiegend sogar sonnig. Landschaftlich beschert uns der Lechweg mal wieder ein Highlight nach dem anderen. Ich habe schon im Vorfeld viel erwartet, aber die Realität übertrifft alle Erwartungen. Die Abschnitte sind weiterhin äußerst abwechslungsreich und wir wandern wirklich durchgehend inmitten von imposanten Panoramen, die sich gegenseitig übertrumpfen. Heute prägt sich besonders der Panoramaweg mit Blick auf Elmen ein: der Ort eingerahmt von Gipfeln, im Vordergrund der Lech, bester Blick von der Hangseite gegenüber.

Panoramaweg mit Blick auf Elmen
Panoramablick auf Elmen
Der Lech kurz vor Stanzach
Der Lech kurz vor Stanzach

Auch die Farben sind unglaublich. Der Lech wechselt sie stetig, nachdem es die letzten Tage stellenweise mit Sedimenten versetztes Graubraun gab, überwiegt heute wieder eine Palette aus schillerndem Türkis bis hin zu Blaugrün. Mit dem weißen Kiesbett im Vordergrund und den teilweise tiefgrünen Nadelbäumen am Ufer fühlen wir uns einmal mehr in eine ferne Wildnis versetzt. Dazu kommen die weiteren Abstufungen durch das satte Grün der Wälder, die begrünten Hänge und Grauschattierungen der Berggipfel.

Heute wird erneut sehr deutlich: Wandern in den Bergen bedeutet permanente Steigungen. Wenig überraschend, aber bei schwül-feuchten 25 Grad, praller Sonne und wüstenähnlichen heißen Luftschichten, die wir durchwandern, habe ich mit den besonders steilen Anstiegen doch ganz schön zu kämpfen. Aber was soll ich sagen, die Sache mit der Motivation hat der Lechweg drauf, heute muss ich nicht ein einziges Mal danach suchen. Und: Können bitte alle Wanderwege an schönen Aussichtspunkten einfach Hollywoodschaukeln aufstellen? Das sehe ich hier zum ersten Mal und es ist die beste Idee überhaupt! So machen auch die Pausen wirklich Spaß.

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Tag 6 - Jammern auf hohem Niveau und Grüße aus der Schotterhölle: von Stanzach nach Ehenbichl

Die sechste Etappe auf dem Lechweg beginnt mit ein wenig schwindender Motivation. Wir können uns absolut nicht beschweren über den bisherigen Weg. Dennoch, wer mehrere Tage unterwegs ist, hat natürlich zwischendurch auch mal einen kleinen Durchhänger. Denn heute behält der Wanderführer recht: Im Vergleich zu den letzten Tagen wird die heutige Etappe fast langweilig. Sah der Weg entlang des Lechs kurz vor Stanzach noch vielversprechend aus, wird er hinter dem Ort tatsächlich mal eintönig. 

Es geht über einen gefühlt endlosen Schotterweg durch Wald, der aber überwiegend aus toten Bäumen besteht. Weder am Fluss noch am Berg entlang, diesmal auch ohne Ausblicke. Nach etwa halber Strecke werden die Ausblicke auf dem Weg von Weißenbach Richtung Höfen deutlich besser: Es geht wieder am türkis schillernden Lech entlang und das Bergpanorama kommt zurück. Allerdings bleibt die Wegbeschaffenheit leider wie zuvor – es geht schnurgeradeaus über Schotter. Mal gröber, mal feiner, aber permanent Schotter. 20 Kilometer fast, abgesehen von kurzen und sehr schönen Waldwegen, dafür keine nennenswerten Steigungen. Dennoch: Ich mag keinen Schotter mehr.

Dafür spielt das Wetter wieder richtig gut mit, die Sonne begleitet uns den ganzen Tag. Auf Höhe von Forchach passieren wir nach etwa fünf Kilometern wieder eine Hängebrücke über den Lech, der an dieser Stelle heute kaum Wasser führt. Auch diese Brücke muss man auf dem Weg nicht überqueren, der kleine Abstecher lohnt aber. Der Lechausee nach knapp neun Kilometern bietet sich für eine Pause an und ist im Sommer ein beliebtes Badeziel. 

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Tag 7 - Der kürzeste Wandertag, Wetterextreme und ein weinendes Auge: von Ehenbichl nach Pflach

Heute wird ein kurzer Tag und einer der Wetterextreme. Wir haben unterwegs mal wieder enormes Glück. Früh geht es los, nachdem es gestern Abend noch Starkregen und heftige Gewitter gab. Und die sind auch für heute angesagt. Die relativ kurze Etappe ist dafür perfekt, und bis auf ein paar kurze Tröpfeleien bleibt es tatsächlich trocken und vor allem gewitterfrei. Denn Sommergewitter sind hier in den Bergen fast an der Tagesordnung, da ist auch auf den Wetterbericht nicht immer so ganz Verlass. Das Unwetter kommt umso heftiger am Nachmittag, als wir glücklicherweise schon wieder in unserer Unterkunft sind.

Und, juhu: Die endlosen Schotterpisten von gestern haben ein Ende. Es gibt zwar immer noch einige solcher Wege auf der heutigen Strecke, die aber deutlich harmloser sind. Zudem sind sie nach dem Regen gestern Abend nicht mehr so staubig. Und die Etappe heute hat wieder wie gewohnt schöne Landschaften und Ausblicke zu bieten. Unter anderem von der kleinen Costaries-Kapelle. Eine gute Stunde geht es bergauf, das letzte Stück extrem steil über Haarnadelkurven auf einem wurzeligen Waldpfad. Die Anstrengung lohnt sich natürlich wie immer. Den Ausblick können wir allerdings nur kurz genießen, als es just da oben wieder zu grummeln beginnt.

Blick auf unser Etappenziel Pflach
Blick auf unser Etappenziel Pflach

Als weiteres Highlight erwartet uns nach dem Abstieg der Frauensee am Fuße des Berges. Und dort kommt sogar ein wenig blauer Himmel zum Vorschein, sodass wir uns eine kleine Einkehr gönnen. Auch sehr empfehlenswert: der Vogelbeobachtungsturm kurz vor Pflach. Unbedingt da hochgehen, dich erwarten tolle Ausblicke auf den Ort, die Bergpanoramen und Biotope hier. Um 13 Uhr sind wir schon in Pflach angekommen, haben eingekauft und sind auf dem Weg mit dem Bus zurück in unsere Unterkunft. Es scheint fast, als wollten wir das nahende Ende hinauszögern: Morgen ist schon der letzte Tag auf dem Lechweg. 🥲

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Tag 8 - Grenzübergang, Königsblicke und Kulturschock zum Abschluss: Finale Etappe von Pflach nach Füssen zum Lechfall

Heute steht die letzte Etappe an! Genau eine Woche nach unserem Start an der Freiburger Hütte am Formarinsee kommen wir nach einem wunderschönen letzten Tag auf dem Lechweg in Füssen im Allgäu an. Dabei überschreiten wir nach etwa sechs Kilometern mitten im Wald die Grenze zu Deutschland und sammeln laut Wanderführer die meisten Höhenmeter aller Etappen (Komoot sieht das anders, aber das liegt auch an unseren Abstechern entlang des Wegs). Es geht auf jeden Fall noch einmal ordentlich bergauf und -ab und gibt ein letztes Mal tolle Ausblicke zu bestaunen.

Das Highlight heute ist auf der bayerischen Seite definitiv der Alpsee. Natürlich auch wegen der Ausblicke auf die berühmten Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau. Aber vor allem wegen seiner intensiven blaugrünen Farbschattierungen und wegen des herrlichen Bergpanoramas. Der Lechweg führt auf dem Alpseerundweg einmal halb um den See herum, teilweise bis ans Ufer hinunter, größtenteils hoch über dem See entlang. Einfach ein wunderschöner Ort! 

Angekommen am Alpsee mit Blick auf die Königsschlösser

Weniger beeindruckend als erwartet ist am Endpunkt der Lechfall. Das liegt wohl zum Einen daran, dass der Fluss heute leider wieder schlammbraun statt türkisblau ist, zum anderen an den Menschenmengen. So machen wir nur schnell ein paar Fotos. Klar, das hier ist ein Touri-Hotspot, aber nach einer Woche in den eher einsamen kleinen Orten in den Bergen ist das für uns heute ein richtiger Kulturschock. Nicht besser wird es übrigens danach, als wir in Richtung Füssener Altstadt weiterlaufen und feststellen müssen, dass wir uns nicht nur einen Samstag mit bestem Wetter mitten in der Urlaubszeit als Ankunftstag ausgesucht haben, sondern zufällig auch gerade Stadtfest mit großem Tamtam in den engen Gassen ist. Puh.

🥲 Das war es nun also vom Lechweg. Ich kann kaum in Worte fassen, wie wunderschön, imposant, abwechslungsreich und immer wieder genial überraschend dieser Weg war. Und wie viel Glück wir mit dem Wetter hatten. Es kamen einige heftige Unwetter hinunter die letzten Tage, doch wir sind ihnen jedes Mal entkommen. Wir hatten nur an einem Tag richtig Regen und auch da weniger als befürchtet. Nicht zu vergessen natürlich auch die wunderbaren Tierbegegnungen: Angefangen mit den Murmeltieren und Alpensalamandern am Formarinsee über die unzähligen Schmetterlingsschwärme und Greifvögel bis hin zu niedlichen Alpakas in Ehenbichl am Schluss. Die Killerbremsen und angriffslustigen Wespen klammern wir an dieser Stelle mal aus.

Lechweg, es war uns ein Fest! Wenn du selbst überlegst, den Weg zu wandern, mach das unbedingt, denn es lohnt sich wirklich so sehr. Und wenn du noch Fragen hast, schreib mir sehr gerne hier.

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