Eine wilde Woche führte uns dieser Roadtrip quer über die “Grüne Insel”: Entlang an Irlands wundervoller Westküste, über die Küstenstraße Wild Atlantic Way. Von Südwest ging es Richtung Norden, meist direkt am Meer entlang, manchmal durch die Berge und stets durch unendlich weites Grün. Unterwegs gab es so einiges zu entdecken: den Ring of Kerry, verschiedene Nationalparks von Killarney bis Connemara, eindrucksvolle Steilklippen sowie unerwartete Mondlandschaften und tolle Gipfel. Unsere Route, Entdeckungen und Tipps findest du hier.
Das erwartet dich in diesem Artikel:
- Einleitende Worte
- Unsere Route
- FAQ & Tipps für deinen Roadtrip auf dem Wild Atlantic Way
- Das Irland-Klischeebild: Killarney National Park und Ring of Kerry
- Dingle Peninsula: besondere Meeresbewohner und eine wilde Bootssafari
- Cliffs of Moher: grandiose Klippenwanderung ab Doolin
- Burren National Park: grüne Mondlandung in einer faszinierenden Steinwüste
- County Galway: in Irlands grünen Hügeln zwischen Schafen und Alpakas
- Connemara National Park: Gipfelstürmen, Sonnenbrand und Weitblicke
Irland, die Grüne Insel
Eine Reise durch Irland war schon lange mein Traum. Am liebsten ein Roadtrip entlang des berühmten Wild Atlantic Way, der die Hälfte des Landes umrundet. Ganz spontan hat sich dieser Wunsch erfüllt: Im Mai waren wir eine Woche auf dieser spektakulären Route unterwegs und haben unzählige Eindrücke mitgebracht. Als eine der längsten ausgewiesenen Küstenstraßen der Welt führt der Wild Atlantic Way insgesamt über 2.600 Kilometer an Irlands Westküste entlang, vom nördlichen County Donegal bis in den äußersten Süden des County Cork.
Schaut man sich die Umrisse von Irland auf der Landkarte an, kann man bereits eine der Besonderheiten erahnen: die Insel wurde geformt durch die Urkräfte des Nordatlantiks. Die zahlreichen “Einbuchtungen” auf der Karte deuten auch dem Laien an, wie vor allem die Westküste durch den Ozean gestaltet worden sein muss: Anhand der vorgelagerten kleinen Inseln, Halbinseln und Buchten wird deutlich, wie das Meer und das raue Wetter hier über Jahrhunderte hinweg einzigartige Küstenlandschaften modelliert haben. Und die sind nicht nur atemberaubend schön, sondern auch richtig abwechslungsreich.
Mit einer Woche ist unsere Zeit für diese Route leider ein bisschen knapp bemessen, ich würde mindestens zwei Wochen empfehlen. Natürlich muss man nicht die ganze Route abfahren, doch es gibt einfach so viel zu entdecken, dass unsere acht Tage wie im Flug vergingen. Und obwohl wir gerne noch länger unterwegs gewesen wären, haben wir auf diesem Roadtrip enorm viel gesehen und erlebt. Da wir über Dublin an- und abreisten und durch die Verbindung der Ost- mit der Westküste noch etwas mehr Strecke machten, kamen wir insgesamt auf über 1.500 gefahrene Kilometer. Und daraus entstand ein ganz eigener, besonderer Eindruck von diesem verhältnismäßig kleinen, aber so, so schönen Land.
Unsere Route
FAQ & Tipps für deinen Roadtrip auf dem Wild Atlantic Way
Bist du genauso verzaubert von Irland wie ich und planst vielleicht selbst einen Roadtrip auf dem Wild Atlantic Way? Bevor ich näher auf unsere einzelnen Stationen eingehe, habe ich dir hier ein paar allgemeine Fakten und Tipps zusammengetragen:
- Wie viel Zeit sollte ich für den Wild Atlantic Way einplanen?
Nimm dir am besten so viel Zeit wie möglich, wenn du diese Küstenstraße entdecken möchtest. Es gibt wirklich unglaublich viel zu sehen. Man kann bei der Planung gut einzelne Abschnitte auswählen, hilfreiche Infos findest du auf der deutschen Website des Wild Atlantic Way. Da unsere Zeit etwas begrenzt war, sind wir jeden Tag mehrere Stunden gefahren. Das funktionierte gut für uns, denn natürlich ist es nicht mit dem Fahren auf deutschen Autobahnen zu vergleichen – nicht umsonst ist es eine Panoramastraße. Wie viel Zeit man sich für einzelne Zwischenstopps nehmen möchte, ist aber eine sehr individuelle Entscheidung. Übrigens: Wenn du gerne Ausblicke genießt und Fotos machst, plane dafür zusätzlich etwas Zeit ein und halte am besten an jeder Haltebucht, die du findest. Denn die sind gar nicht so häufig, wie man meinen könnte.
- Wie komme ich nach Irland?
Die kürzeste Art der Anreise ist mit dem Flugzeug. Dublin wird von vielen deutschen Flughäfen direkt angeflogen, von Hamburg aus dauert das knapp zwei Stunden. Auf direkter Strecke fährst du von Dublin an der Ost- nach Galway an der Westküste etwa zweieinhalb bis drei Stunden. Du kannst auch direkt an die Westküste fliegen, beispielsweise nach Galway, Cork oder Shannon. Wer mit der Bahn oder dem eigenen Auto und der Fähre anreisen möchte, kann das von Deutschland aus direkt über Frankreich tun. Mehrere weitere Verbindungen führen über England. Mit dem Zug kommt man mittlerweile auf dem Landweg über Brüssel oder Paris durch den Eurotunnel nach London.
- Was ist beim Autofahren in Irland zu beachten? Wie in ganz Großbritannien herrscht hier Linksverkehr. Ich fahre selbst tatsächlich kein Auto. Meine Begleitung gewöhnte sich schnell an die neuen Bedingungen, aber das ist wohl auch sehr unterschiedlich. Die vielen Kreisverkehre können vor allem auf mehrspurigen Straßen zusätzlich für Verwirrung sorgen, da alles gefühlt in die falsche Richtung funktioniert. Hier sollte man sich also etwas Zeit geben, um sich an die neuen Bedingungen zu gewöhnen.
- Eignet sich der Wild Atlantic Way für eine Reise mit dem Camper oder Wohnmobil?
Campen bietet sich bei diesem Roadtrip an. Wildcampen und Freistehen ist in Irland aber grundsätzlich nicht erlaubt – auch wenn ich auf mehreren Websites von Anbietern, die Camper vermieten, Gegenteiliges gelesen habe! Das meiste Land ist in Privatbesitz und wer dort campen oder auch wandern möchte, benötigt die Zustimmung der Eigentümer:innen. Ich sehe häufig auch auf Social Media, dass das nicht immer so ernst genommen wird. Wenn du selbst mit dem Camper unterwegs bist, informiere dich am besten genau vorab. Ein Nichtbeachten ist aus meiner Sicht nicht nur respektlos, wir haben leider auch alle am Ende Nachteile von so einem Verhalten.
- Wie sieht es mit Unterkünften und der Reiseplanung aus?
Normalerweise plane ich meine Reisen immer sehr genau vor. Auf diesem Roadtrip fiel es uns allerdings schwer, mehr als einen Tag vorauszuplanen, da es so viele Faktoren gab: Wie viel man am Tag fahren kann und möchte, hängt einerseits vom Wetter und andererseits von der eigenen Verfassung und Stimmung an dem Tag ab. So haben wir immer erst am selben Tag, meist gegen Mittag (und einmal sogar erst abends), eine Unterkunft für den Abend gebucht. Das war zumindest im Mai kein Problem, denn die meisten Gastgeber:innen sind auf spontane Gäste eingestellt: viele private Guesthouses entlang der Route stehen allzeit bereit (oft auch mit Self-Check-in) und auch die Bed & Breakfasts haben häufig sehr kurzfristig noch Zimmer frei. So konnten wir immer spontan schauen, wie weit wir fahren wollten und auch die zufällig entdeckten Orte am Wegesrand gebührend erkunden, die man nicht vorab einplanen kann. Wenn ihr an Feiertagen oder in der Haupturlaubszeit unterwegs seid, oder an einem ganz bestimmten Tag an einem bestimmten Ort sein wollt, solltet ihr vermutlich besser frühzeitig buchen.
- Gibt es viele Wandermöglichkeiten?
Ja! Du kannst deinen Roadtrip hervorragend mit kleinen oder größeren Wanderungen verbinden. Es gibt zahlreiche tolle und abwechslungsreiche Wanderregionen von der Küste bis zu den Bergen, vor allem in den Nationalparks, mit gut ausgebauten und beschilderten Wegen. Informiere dich auch hier wie immer in anderen Ländern vorab über die Gegebenheiten und Regelungen. Beispielsweise sind viele Wanderwege leider nicht für Hunde freigegeben, da sie über Weideland führen und Hunde hier eine Gefahr für das freilaufende Weidevieh darstellen. Andererseits: Abseits von offiziellen Wanderwegen gibt es häufig neben den Straßen keine oder kaum Fußwege. Um die Umgebung unserer Unterkünfte abends zu erkunden, mussten wir oft auf den Straßen laufen, denn Wege scheinen mancherorts rar zu sein.
- “Must-dos”: Was sollte ich in Irland unbedingt machen?
Neben einer Bootstour, egal welcher Art, solltest du dir einen Besuch in einem traditionellen Pub nicht entgehen lassen. Nicht umsonst ist Irland dafür so bekannt und beliebt. Ganz anders als in den meisten deutschen Kneipen steht hier nicht (nur) das Trinken, sondern vor allem das Erlebnis und Zusammenkommen im Vordergrund. Es gibt meist gutes (und verhältnismäßig günstiges) Essen und Live-Musik. Das Publikum ist bunt gemischt: Einheimische und Tourist:innen, jung bis alt und sogar ganze Familien, auch mit kleinen Kindern. Die Musik ist meist ansteckend, fröhlich, oft aber auch mit einem Hauch Melancholie: Die Songs erzählen von früheren, nicht immer einfachen Zeiten, von der Liebe zu Irland und von alten Mythen und Bräuchen. Besonders allseits bekannte Folksongs werden häufig mitgesungen und animieren das Publikum gerne auch zum Tanzen.
- Welche kulinarischen Highlights erwarten mich?
Das Land(wirt)schaftsbild verrät es bereits: In Irland gibt es an jeder Ecke Milchprodukte, hier geht kaum etwas ohne die typische irische Milch, Butter oder auch Cheddar. Der Klassiker zum Frühstück ist Porridge, traditionell mit Milch und Zucker zubereitet. Das überall angepriesene Full Irish Breakfast ist hingegen eine deftige Hauptmahlzeit und wird häufig den ganzen Tag serviert: klassisch mit gebratenem Speck, Leber, Blutwurst und anderen Würsten, Spiegel- oder Rührei und gebackenen Bohnen (Baked Beans) in Tomatensauce. Auch Fish & Chips und andere Fischgerichte gibt es an der Küste in großer Auswahl. Vegetarische und vor allem vegane Optionen gibt es in den kleineren Orten in Restaurants manchmal noch wenig, es findet sich aber trotzdem eigentlich immer etwas. Wer Süßes mag, sollte nach Toffees, Shortbread und Scones Ausschau halten. Tipp für Teefans: der Irish Breakfast Tea, meiner Meinung nach noch leckerer als der englische.
Das Irland-Klischeebild: Killarney National Park und Ring of Kerry
Wir starten im Süden und fahren in Richtung Norden. Nach der Landung in Dublin setzen wir uns also direkt in den Mietwagen und erreichen am ersten Abend nach knapp vier Stunden Fahrt bereits den ersten der sechs irischen Nationalparks: den Killarney National Park im südwestlichen County Kerry. Bei der nahegelegenen gleichnamigen Stadt beginnt auch die Panoramarundstraße Ring of Kerry. Wer nicht sowieso schon von dieser Region als eines der beliebtesten touristischen Ziele Irlands gehört hat, kennt sie vermutlich zumindest als Herkunft der bekannten „Kerrygold“-Butter. Und genau dieses Klischeebild von glücklichen Kühen auf saftigen, weiten und unnatürlich grünen Wiesen, das die TV-Werbespots vermitteln, präsentiert sich hier in Kerry. Auch wenn wir zunächst noch deutlich mehr Schafe als Kühe auf den Weiden sehen.
Wir verbringen nur einen Abend im Killarney National Park und sind gleich zu Beginn unserer Reise begeistert. Neben dem Muckross Lake, den wir in der Nähe unserer Unterkunft von oben erspähen, gibt es hier noch zwei weitere Seen. Zufällig haben wir den perfekten Zeitpunkt für unsere Reise erwischt, denn jetzt im Mai grünt und blüht einfach alles. Neben dem saftigen Grün ist die Landschaft durchzogen von den gelben Farbtupfern der Ginsterbüsche. Am nächsten Tag fahren wir den Ring of Kerry entlang, der die Iveragh-Halbinsel einmal umrundet. Die 179 Kilometer führen vorbei an zerklüfteten Küstenabschnitten, grünen Ausblicken und wohl auch an Traumstränden, die wir uns heute aber nicht ansehen können. Nachdem das Wetter vormittags noch halbwegs hält, geraten wir nachmittags vermehrt in Wolkenbrüche. Viele Ausblicke sind also heute leider nicht drin, aber auch die Fahrt durch den Dunst ist lohnenswert.
Vier Stunden sollte man mindestens für die Rundfahrt einplanen, besser einen ganzen Tag. Denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Abstecher. Auf etwa der Hälfte der Route zweigen wir zum Beispiel bei Portmagee Village ab und folgen den schmalen Wegen bis zu den Kerry Cliffs an der Südspitze. Die Klippen der rund 300 Meter hohen Steilküste beeindrucken uns trotz des schlechten Wetters, bei guter Sicht müssen die Ausblicke auf die Skellig Islands und Puffin Island atemberaubend sein. Dank Regen und Sturm, gegen den wir uns zu den Aussichtspunkten stemmen, sind heute kaum Besucher:innen hier und wir erleben eine ganz andere, besondere “cliff experience”. Zwischendurch reißt für ein paar Sekunden immer wieder der Nebel auf und gibt die tosende Brandung in der Tiefe frei, während die rosafarbenen und gelben Blüten oben auf den Klippen einen schönen Kontrast zu den grün bewachsenen bis milchig weißen Felswänden kreieren. Und was wäre Irland auch ohne dieses typische Wetter?
Dingle Peninsula: besondere Meeresbewohner und eine wilde Bootssafari
Unsere Tour führt uns weiter auf die Dingle-Halbinsel. Der namensgebende Ort ist von Killarney aus nach gut einer Stunde Fahrt erreicht. Auch hier wird die Vielseitigkeit der Landschaften wieder deutlich: Sandstrände wechseln sich ab mit Steilküsten und im Landesinneren fahren wir auf einmal durch eine richtige Bergwelt. Auf Herzensempfehlung buchen wir in Dingle eine Sea Safari, eine zweieinhalb- bis dreistündige Schnellboot-Tour über das offene Meer. Die Halbinsel ist für ihre Tierwelt bekannt, allen voran für die kleinen “puffins”, die Papageientaucher. Doch auch Wale, Delfine und sogar Riesenhaie tummeln sich in den Gewässern vor der Küste. Glück haben wir zunächst mit dem Wetter: Aufgrund der Sturmvorhersagen wurden die Touren für die folgenden Tage bereits abgesagt, doch unsere findet statt. Nach einem verregneten Morgen hört es just zu Beginn der Fahrt auf, später lässt sich sogar die Sonne noch blicken. Die Tour ist aber, vor allem bei heftigem Seegang, nicht ganz ohne.
Die Sitze der Boote erinnern an eine Achterbahn und wirken, nachdem wir die teilweise grünen Gesichter der Gäste der Morgentour sehen, gar nicht mehr so einladend. Vielleicht doch noch im letzten Moment wieder an Land klettern? Doch schon geht es los, also gut festhalten und hoffen, dass es nicht zu wild wird… Und das wird es natürlich doch. Der Nordatlantik ist rau, wild, gewaltig. Und so brettert das Boot dahin, knallt auf die Wellen und wir auf die Sitze. Als wir gerade sicher sind, dass unser Skipper etwas wahnsinnig sein muss, bremsen wir ab – die erste Sichtung. Die vier Flossen, die hier aus dem Wasser ragen, gehören zu zwei “basking sharks”, Riesenhaien.
Nach dem Walhai ist der Riesenhai der zweitgrößte bekannte Fisch der Weltmeere. Bei einer Körperlänge von bis zu zwölf Metern und einem Gewicht von rund fünf bis sieben Tonnen überrascht es, dass er sich lediglich von Plankton ernährt: Pro Stunde filtert er bis zu 2.000 Tonnen Meerwasser durch sein offenes Maul (Quelle: WWF). Bei unserem Besuch Anfang Mai sind größere Gruppen dieser Tiere vor der Küste der Dingle Bay unterwegs und wir sehen immerhin ihre Flossen aus dem Nebel ragen, was schon beeindruckend ist.
Es folgen landschaftliche Highlights wie Höhlen, Felsspalten und Blicke auf die Blasket Islands, die heute unbewohnt sind. Halb verfallene Cottages luken durch den Nebel und erinnern an frühere Zeiten, in denen auf diesem abgeschiedenen Fleckchen Erde tatsächlich Menschen gelebt haben. Ein ziemlich hartes Leben muss es gewesen sein. Die Gewässer hier werden durch die heftigen Strömungen zu den gefährlichsten Europas gezählt und das Festland ist meilenweit entfernt. Schon immer waren die Inseln den extremen Wettereinflüssen ausgesetzt, was letztendlich dazu führte, dass sie heute nicht mehr besiedelt sind.
Andächtige Momente später sichten wir auf einer der kleinen Inseln plötzlich zahlreiche Kegelrobben, die sich im Sand und im Wasser tummeln und neugierig zu unserem Boot hinüber spähen. Als dann noch mehrere Delfine dem Boot folgen und mal links, mal rechts auftauchen, ist das Glück perfekt. Am Ende taucht sogar noch ein Zwergwal auf, der sich hier wohl gar nicht so häufig blicken lässt. Wow. Einzig die Papageientaucher sind heute leider rar. Wir sehen einige aus der Ferne, immerhin. Drei Stunden später haben wir wieder festen Boden unter den Füßen und setzen unseren Roadtrip über die Dingle Peninsula fort, bis nach Dunquin. Neben der erneut beeindruckenden Steilküste befindet sich hier der westlichste Punkt des Landes auf dem Festland.
Unsere Weiterfahrt über die Dingle-Halbinsel auf dem Wild Atlantic Way führt über den Conor Pass und ohne Vorwarnung befinden wir uns inmitten einer fast alpinen Bergwelt. Fasziniert von der unerwarteten Umgebung hoffen wir noch, dass uns auf der extrem schmalen Passstraße niemand entgegenkommen möge, als natürlich ein Auto um die nächste Kurve biegt. Für Ortskundige vielleicht kein großes Problem, doch für Tourist:innen definitiv eine Herausforderung. Der Beifahrer des anderen Autos schafft es gerade noch, sich vor der Felswand aus dem Auto zu zwängen und navigiert schließlich beide Autos erfolgreich zentimetergenau aneinander vorbei. An der Haltebucht kurz danach springen wir aus dem Auto und staunen nicht schlecht über den Wasserfall auf der einen und die Bergpanoramen auf der anderen Seite.
Cliffs of Moher: grandiose Klippenwanderung ab Doolin
Am nächsten Tag geht es weiter die Westküste hoch bis Tarbert. Einer unserer Hosts hat uns den Tipp gegeben, hier mit der Fähre nach Killimer überzusetzen (das dauert etwa zwanzig Minuten) und so ein ganzes Stück auf dem Landweg einzusparen. Wir befinden uns nun im County Clare und haben heute zur Abwechslung strahlende Sonne und blauen Himmel. Perfekt für unser nächstes Ziel: die wohl berühmteste Natursehenswürdigkeit Irlands, die Cliffs of Moher. Dank einer weiteren tollen Empfehlung halten wir allerdings nicht am Visitor Centre, sondern fahren in den nächsten Ort Doolin und stellen dort das Auto ab.
Der Vorteil: Statt 12 Euro Parkgebühr – pro Person! – für den offiziellen Parkplatz zu bezahlen, parken wir hier kostenfrei und wandern den traumhaften “Doolin Cliff Walk” an der Küste entlang zurück bis zu den vielbesuchten Klippen. Und das ist der wahrscheinlich beste Tipp dieser Reise. Die Wanderung ist bei dem Wetter heute einfach atemberaubend und wir bleiben alle paar Meter stehen, weil wir nicht genug von den Ausblicken bekommen können. Und die sind meiner Meinung nach noch schöner und spektakulärer als die Cliffs of Moher am Ziel. Und: Hier sind wirklich wenige Menschen unterwegs.
Bei anderen Witterungsbedingungen muss man auf den schmalen Pfaden sicherlich aufpassen. Bei starkem Regen und/oder Sturm ist dieser Weg nicht zu empfehlen, denn es geht die meiste Zeit direkt an der „Kante“ entlang und an ungesicherten Steilklippen. Heute genießen wir die Wanderung jedoch in vollen Zügen. Der Wild Atlantic macht seinem Namen mal wieder alle Ehre und die Weitblicke über Wellen und Brandung und die sprühende Gischt an den eindrucksvollen, steil abfallenden Klippen auf halber Strecke sind einfach gigantisch. Eingerahmt von rosa Blüten, weißen Möwen und dem allgegenwärtigen Grün auf der Landseite. Erst als wir dann wirklich an den Cliffs of Moher ankommen, wird es voller und pünktlich zieht sich der Himmel zu, sodass sich der allzu bekannte graue Ausblick bietet. Aber immerhin ein Ausblick! Anders wäre es schade, denn die beeindruckenden Klippen sind bis zu 214 Meter hoch und erstrecken sich über acht Kilometer die Küste entlang.
Im Mai 2023 ist einer der letzten Streckenbschnitte der Route bereits seit einiger Zeit gesperrt, hier geht es einer Umleitung folgend weg von der Küste über matschige Viehweiden. Tipp zum Nachwandern: Der Cliff Walk ist je nach Variante etwa sieben bis 13 Kilometer lang – in eine Richtung. Wer nicht wieder zurück wandern möchte, kann den Shuttle-Bus vom Visitor Centre zurück nach Doolin nehmen. Der fährt auch im Mai, nicht erst im Juli (entgegen der Schilder und Angaben im Internet). Bei unserem Besuch fährt der letzte Bus gegen 18:20 Uhr.
Burren National Park: grüne Mondlandung in einer faszinierenden Steinwüste
Später lerne ich, dass heilige Quellen hier in Irland ihre Wurzeln im christlichen Glauben haben und viele einem lokalen Heiligen gewidmet sind. Auch heidnische Götter oder Naturelemente werden damit in Verbindung gebracht. Früher galten sie als Eingänge zu einer anderen Welt, einem mystischen Reich, das Wunder wahr werden lassen konnte. Bis heute wird diesen Quellen eine heilende Wirkung auf Körper und Geist nachgesagt, weshalb man an ihnen vielerorts nach wie vor rituelle Gaben vorfindet. Eine ganz besondere Wirkung hatte dieser Ort mitten im Wald auf jeden Fall.
Auf der weiteren Wanderung kommen wir an einem keltischen Grabhügel vorbei, Überresten uralter Dörfer, zahlreichen Mauern, die schon früher unterschiedliche Weidegründe einzäunten, queren heutige Viehweiden und begegnen Rindern und einer Ziege. Meist gibt es Begrenzungen aus Elektrozaun, doch einmal führt der Weg mitten über eine Weide, auf der sich eine Herde Galloways verteilt hat. Nebenan sind Mauern und einen anderen Weg gibt es nicht, also geht es quer hinüber. Kurzes Zögern, da eine Mutterkuh natürlich direkt vor dem abzweigenden Waldpfad steht und auch mehrere Kälber auf der Weide sind, doch die Tiere sind friedlich und entspannt.
Was für ein Kontrastprogramm zu den Klippen gestern! Wir sind mal wieder sehr begeistert, als wir schließlich wieder das Auto erreichen und weiter nach Galway fahren.
County Galway: in Irlands grünen Hügeln zwischen Schafen und Alpakas
Wir verbringen nur einen Abend in Galway selbst. Die Stadt ist ein touristischer Hotspot und sicherlich sehenswert. Nach den letzten Tagen in der Natur sind wir jedoch etwas überfordert von dem dichten Stadtverkehr und den Menschenmengen, die sich hier am frühen Abend in der Quay Street tummeln. Kein Wunder: In der Fußgängerzone im belebten Zentrum reihen sich etliche Restaurants, Pubs und Shops aneinander und aus allen Ecken tönt laute Musik. Von der traditionellen irischen Live-Musik bis hin zum Discoabend scheint alles dabei. Wir lassen uns das gute Essen in einem der übervollen Pubs schmecken und sind froh, dass unsere heutige Unterkunft wieder ein gutes Stück außerhalb der Stadt liegt.
Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Norden. Wir haben von einer Alpakafarm auf dem Weg Richtung Connemara gelesen und dort sehr spontan einen Spaziergang mit den Tieren am Mittag gebucht, für den sich bis dato nur zwei andere Gäste angemeldet hatten. So machen wir einen Abstecher von der Küste ins Landesinnere zur Curraghduff Farm. Eine landschaftlich sehr schöne Strecke, auf der uns bald eine Schafherde aufhält und erst einmal am Weiterfahren hindert. Zu unserer Freude, denn vor allem die kleinen Lämmer sind sehr putzig. Zum Glück haben wir genug Zeit.
Die Farm ist malerisch gelegen, zwischen Hügeln und Wäldern, mit Blick auf den Lough Corrib und die Connemara Mountains. Die freundlichen Alpakas haben alle ihren ganz eigenen Charakter und wir dürfen ein paar von ihnen kennenlernen. Samuel, das schwarze Model-Alpaka, geht mit mir spazieren. Dann ist da noch das Selfie-Alpaka, das für jede Kamera posiert, sobald jemand eine zückt. Die kleine Truppe schaut sich hier und da um, besucht die Kumpanen auf einer anderen Weide und gönnt sich zwischendurch schmackhafte Snacks am Wegesrand.
Zum tierischen Abschluss folgt noch ein Besuch bei den Ziegen, wo es gerade Nachwuchs gab und wir vor Verzückung fast nicht mehr gehen wollen: Neben frechen Jungziegen lernen wir den Neuzugang kennen, gerade neun Tage alte Zwillinge, die sich nur zu gerne bespaßen lassen. Neugierig und verspielt springen sie herum und knabbern alles an, was nicht festgetackert ist – ob Schnürsenkel, Haare oder Jacken. Bei Keksen in Alpaka-Form und Tee endet unser Besuch. Falls ihr mal in der Nähe seid, kann ich euch nur empfehlen, vorbeizuschauen. Die Inhaber:innen sind so nette Menschen, die ihre Tiere wirklich lieben. Zum Übernachten gibt es übrigens auch ein paar tolle Glamping-Hütten zu verschiedenen Themen.
Connemara National Park: Gipfelstürmen, Sonnenbrand und Weitblicke
Nach einer knappen Woche, die sich dank der unglaublich vielen Eindrücke viel länger, aber gleichzeitig auch zu kurz anfühlte, sind unsere letzten beiden Tage an der Westküste gekommen. Als hätte Irland es geahnt, werden wir zum Abschluss noch einmal mit allerbestem Wetter und einem richtigen Traumtag beschenkt. Wir sind in der Nähe des Connemara National Parks angekommen und haben bereits das volle Programm mit Live-Musik im Pub in Clifden und grandiosen Meerblicken auf der Sky Road hinter uns. Nun steht der letzte Besuch im Nationalpark an, und zwar zu einem echten Diamanten: eine Wanderung über den Diamond Hill.
Interessanterweise gibt es zahlreiche unterschiedliche Angaben über die Höhe dieses Berges, andere würden eher Hügel sagen. Da die meisten Quellen zu 442 Metern tendieren, gehen wir mal davon aus. Der Diamond Hill ist auch bekannt als „Bengooria“ oder, auf irisch, „Binn Ghuaire“ („Guaire’s peak“). Er ist ein beliebtes Ausflugsziel, denn er liegt isoliert, verfügt über gut ausgebaute und markierte Wege bis auf den Gipfel und bietet bei gutem Wetter atemberaubende Weitblicke in alle Richtungen.
Da tatsächlich heute die Sonne lacht, sind entsprechend viele Leute unterwegs. Drei Routen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden führen am Berg entlang oder eben hinauf. Wir wollten natürlich hinauf und so beginnt der Aufstieg. Obacht bei der Richtung: Es ist ein Loop Hike, also ein Rundweg, und es empfiehlt sich, über die ausgewiesenen schwierigeren Seite aufzusteigen. Das Gelände ist auf dieser Seite für den Abstieg deutlich weniger geeignet, denn es gibt mehr Geröll und Felsspalten, über die man hinweg oder auch hindurch klettert.
Insgesamt ist der Weg bei gutem Wetter gut zu begehen, bei Regen und rutschigen Steinen sieht das sicher anders aus. Wir starten auf einem breiten Spazierweg, der in Treppenstufen im Stein und einen Bohlensteg übergeht. Etwas unerwartet sind wir plötzlich von Heide- und Moorlandschaft umgeben und als ich dann Wollgras auf dem Fels entdecke, staune ich doch nicht schlecht. Der Anstieg zieht sich etwas hin, weil wir eigentlich ständig stehen bleiben und die Ausblicke bestaunen müssen. Immer weiter geht es hinauf, bis das letzte Stück, das fast an einen Grat erinnert, schließlich zum Gipfel führt. Und dann müssen wir erst einmal innehalten und diesen phänomenalen 360°-Blick wirken lassen.
Auf der einen Seite leuchtet das Meer in der Ferne, mit den Inseln Inishturk, Inishbofin und Inishshark vor der Küste. Dann sind da weite grüne Wiesen- und Waldgebiete. Und der Kylemore Lough mit dem berühmten Schloss, in dem die älteste irische Benediktinerinnenabtei untergebracht ist: Kylemore Abbey. Wir bestaunen das Anwesen zunächst von oben, bevor wir später auf dem Rückweg noch einen kurzen Abstecher zu dem Kloster machen. Auf der anderen Seite des Diamond Hill blicken wir unter anderem auf die Twelve Bens, einen malerischen Gebirgszug. Nahtlos geht der Ausblick an dieser Stelle in eine raue, einsame Bergwelt über, sodass man beinahe das Gefühl hat, zwischen zwei Welten zu stehen. Einfach atemberaubend.
Eine lange Pause und leckere Schokobrötchen später geht es an den Abstieg auf der anderen Seite. Und ja, das ist eine andere Welt. Wären da nicht die anderen Wander:innen, man würde keinen Laut mehr hören. Kein Wind mehr, keine Vögel, kein Grundrauschen. Die Stille der Berge fängt uns. Auch die anderen Menschen vor und hinter uns verschwinden immer wieder, da der Pfad kurvig hinab führt. Gut ausgebaute Treppen machen das Ganze einfach. Schließlich erreichen wir den Abzweig wieder, an dem es vorhin hinauf ging. Dort waren wir noch Schafen begegneten, die inzwischen weitergezogen sind.
In einer schönen Schleife, auf der uns noch richtig gelb leuchtender Ginster erwartet, geht es zurück zum Ausgangspunkt am Connemara National Park Visitor Centre, wo eine kleine Stärkung wartet und wir feststellen, dass wir uns natürlich direkt einen Sonnenbrand als Andenken mitgenommen haben. Um das letzte Klischee noch zu erfüllen, grasen hier friedlich ein Connemara-Pony und ein kleines Fohlen. Im Nationalpark leben einige von ihnen bis heute halbwild in den torfigen Sümpfen und an den Hängen. Sie entwickelten sich aus den Ponys der Kelten, die im vierten Jahrhundert vor Christus hierhergebracht und später mit andalusischen Pferden gekreuzt wurden. Ein wildes Pony haben wir hier nun leider nicht erspäht, aber wer weiß, vielleicht ja beim nächsten Mal.
Ehe wir am nächsten Tag von der West- zurück zur Ostküste nach Dublin fahren, verbringen wir noch einen zauberhaften Abend in unserer Unterkunft direkt an der Sky Road. Im privaten Gästezimmer reicht der Blick über die vorgelagerten Wiesen bis zum Atlantik und beschert uns eine wunderbare Abendstimmung. Und dann ist da dieser magische Abschiedsmoment, der sich einprägt: Ein einzelnes Connemara-Pony weidet direkt an den Klippen. Pünktlich zum Sonnenuntergang galoppiert es mit fliegender Mähne und wehendem Schweif am Meer entlang, so weit es die Weide hergibt. Es ist wie eine Liebeserklärung an dieses wunderbare Land, das wir kennenlernen durften, aber auch wie ein Versprechen, dass wir sicher noch einmal wiederkommen werden. Bis bald, Irland.