Über den Brocken auf dem Hexenstieg: Tag 2 von Altenau nach Königshütte

Brockenbahn im Harz

Was für ein zweiter Tag! Der Hexenstieg hatte heute einiges zu bieten: Wege, die zu Flüssen geworden waren oder gar nicht mehr existierten, den Aufstieg auf den Brocken, eine Fahrt mit der Dampflok und Verirrungen im Wald. Aber der Reihe nach.

Am nächsten Morgen ging es nach ausgiebigem Frühstück weiter, direkt hinter Altenau wieder in den Wald hinein. Es regnete nicht mehr, doch mich begleitete erneut ein Grummeln hoch oben am Himmel. Ich befürchtete zuerst, dass es wieder ein Gewitter sein könnte, aber im Wald stellte sich dann schnell die Ursache heraus: Aus dem Grummeln war mittlerweile ein lautes Rauschen, beinahe schon Donnern geworden, das von dem starken Gefälle des Dammgrabens herrührte. Auch durch die Höhenunterschiede auf der Strecke kann man das schon sehr viel eher hören – schon gut eine Stunde, bevor man das Wasser sieht.

Nach dem starken Regen der vergangenen Tage waren die Wege nicht nur sehr aufgeweicht, sondern an einigen Stellen gar nicht mehr vorhanden und zu Flüssen geworden. In solchen Fällen retten euch Wanderstöcke! Auf dem weiteren Weg bis nach Torfhaus schien sogar die Sonne. So konnte ich eine nette Rast im Torfhausmoor einlegen – mitten im Moor gibt es am Pfad Bänke, die sehr schöne Ausblicke bieten. Auch heute war es bis hierhin wieder schön einsam: Es war kaum jemand unterwegs, erst auf dem Weg zum Brocken traf ich immer mehr Wanderer. Ab Torfhaus folgt der Hexenstieg dem Goetheweg – auf etwa dieser Route soll schon der große Dichter im Jahr 1777 den Brockengipfel erklommen haben.

Torfhausmoor im Harz
Im Torfhausmoor
Dampfend kommt die Brockenbahn um die Ecke

Auf 1.142 m Höhe: von Hagel, Nebel und Sonne auf dem Brockengipfel

Zugegeben: Die Formulierung “erklimmen” trifft es in diesem Fall nicht so richtig. Der Brocken mutet nicht wie ein Berg im herkömmlichen Sinn an. Natürlich gibt es ein paar Steigungen (die jedoch am Vortag schon anspruchsvoller waren), aber man folgt durchgehend gut ausgebauten Wanderwegen und am Ende sogar einer asphaltierten Straße. Das heißt, ihr werdet möglicherweise von Planwagen voller Touristen oder sogar Autos überholt, während ihr die letzten Meter zum Gipfel lauft. Eine viel nettere Überraschung ist aus meiner Sicht die Brockenbahn, deren Dampfloks sich schon Kilometer vorher durch lautes Schnaufen und Dampfwolken über den Bäumen ankündigen, während sie sich den Berg hinauf kämpfen.

Trotz der Menschenmengen, die sich Richtung Gipfel ansammeln, lohnt der Aufstieg. Wenn ihr die Baumgrenze erreicht habt, bieten sich wunderbare Weitblicke über den Nationalpark Harz. Das Wetter ist auf dieser Höhe allerdings etwas eigenwillig und schlägt ständig um. Gerade noch strahlender Sonnenschein, wanderte ich die letzten 10 Minuten nach oben in einem heftigen Hagelschauer. Als ich am Brockenhaus ankam, lag der Gipfel in tiefem Nebel. Kein Wunder, dieser Zustand herrscht offenbar an über 300 Tagen im Jahr. Deshalb konnte ich mein Glück kaum fassen, als sich nur weitere 10 Minuten darauf der Nebel wieder komplett verzog und die Aussicht freigab. Ein ganz besonderer Moment! Den ersten Teil der Route findet ihr übrigens hier bei Komoot.

Aussicht vom Gipfel
Auf dem Brockenplateau

Mit der Dampflok durch den Nationalpark Harz

Um an diesem Tag noch bis nach Königshütte zu kommen, fuhr ich eine halbe Stunde später einige Stationen mit der Brockenbahn auf der anderen Seite hinunter, über Schierke bis nach Drei-Annen-Hohne. Ihr habt auf der Strecke noch einmal schöne Ausblicke, bekommt aber dabei leider auch das ganze Ausmaß der Zerstörung zu Gesicht: Der Borkenkäfer hat hier bereits für einen derart fatalen Kahlschlag gesorgt, dass Experten befürchten, in einigen Jahren könnte ein Großteil der Fichtenwälder vernichtet sein. Die abgestorbenen Bäume, die sich links und rechts der Schienen stapeln, zeichnen schon jetzt ein etwas unheimliches Endzeitszenario.

Im Unterholz – oder: das Abenteuer beginnt abseits der bekannten Pfade

Von Drei-Annen-Hohne aus führte mich meine Wanderung weiter in das nächste Waldstück hinein und zurück auf den Hexenstieg. Dachte ich zumindest. Offenbar war hier aufgrund vorangegangener Forstarbeiten und nach dem Sturm zuvor einiges nicht mehr so, wie die Schilder es anzeigten. Jedenfalls bog ich falsch ab und stand plötzlich mitten im tiefsten Unterholz, wo eigentlich ein Weg hätte sein sollen. Nach diversen Kletterpartien durch Gestrüpp, über Bäche und Abhänge hinauf erreichte ich irgendwann wieder einen richtigen Weg – glücklicherweise ohne einem Wildschwein oder anderen Waldbewohnern zu begegnen, die wahrscheinlich nicht so begeistert von unserem Treffen gewesen wären.

Pro-Tipp für euch: Informiert euch am besten vorab online über Streckensperrungen und Umleitungen auf der Route. Die sind nämlich offenbar vor Ort nicht immer gut ausgeschildert (vielleicht auch nicht mehr). 😬 Sehr glücklich fand ich schließlich nach einer Stunde Umweg die Hexenstieg-Schilder wieder und erreichte Königshütte ohne weitere Zwischenfälle. Am Ortseingang ging es vorbei am Königshütter Wasserfall und nach einem sehr langen Tag erreichte ich schließlich meine heutige Unterkunft. Auch den zweiten Teil dieser Route (Achtung, wie erwähnt mit Umweg direkt nach Verlassen des Bahnhofs) findet ihr auf Komoot.

Hier geht’s zur vorherigen und den folgenden Etappen:

Ihr möchtet den Hexenstieg selbst wandern? Dann lest doch mal hier rein:
Harzer Hexenstieg: Auf den Spuren von Mythen und Fabelwesen

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